In Italien weiß man, das Leben mit Qualität und Stil zu genießen. Ob Nahrungsmittel, Wein, Mode oder Autos – italienische Produkte sind in aller Welt begehrt. Dementsprechend stoßen auch aus Italien stammende Aperitifs und Cocktails auf internationales Interesse.
Die Tradition des Aperitivos stammt ursprünglich aus dem Norden Italiens, ist mittlerweile aber ein im ganzen Land liebgewonnenes soziales Ritual geworden, bei dem man nach der Arbeit, etwa zwischen 18 und 21 Uhr, mit Kollegen, Verwandten oder guten Freunden ein Glas Bier, Wein oder einen leichten Cocktail und Snacks genießt. Diese typisch italienische Tradition ist perfekt, um den Appetit für ein spätes Abendessen anzuregen, Leute zu beobachten und den Sonnenuntergang zu genießen. Einfach Dolce vita pur.
Die italienischen Regionen, in denen „Fare un’aperitivo“ ein fester Teil des Tagesablaufs ist und in seiner reinsten Form praktiziert wird, sind Venetien und die Lombardei, wo der Aperitivo vor hunderten Jahren aufkam. Zu den Getränken gibt es meist kleine Häppchen wie Crostini (belegte kleine geröstete Brotscheiben), Oliven, Käse, Wurst, Gemüse, Quiches oder auch kleine Teller mit Pasta und ähnlichen Leckereien. Und man muss nicht unbedingt Alkohol trinken, um diese goldene Stunde in Italien genießen zu können.
Auch wenn „Fare un’aperitivo“ ein wenig an das Konzept der Happy Hour erinnert, führt der Vergleich in die Irre. Die meisten Aperitivi kosten zwischen drei und acht Euro und haben weniger Alkoholgehalt als andere Drinks. Bei fare un’aperitivo geht es weniger darum, besonders günstig oder doppelt so viel Alkohol zum selben Preis zu trinken, sondern mehr um das Erlebnis selbst – eine willkommene Gelegenheit, um sich zu entspannen und mit lieben Menschen zu treffen.
Der klassische Aperitivo-Cocktail ist der Spritz, der seine Ursprünge in Österreich hat, auch wenn sich die moderne Version stark von dem ursprünglich Anfang des 19. Jahrhunderts kreierten Getränk unterscheidet. Den bunten, erfrischenden und leichten Spritz gibt es in verschiedenen Varianten und er hat eine interessante Geschichte. Ab 1815 war das Königreich Lombardo-Venetien ein halbes Jahrhundert lang Teil des Habsburgerreichs. Dessen Soldaten waren die Weine aus Venetien zu stark und sie verdünnten sie daher mit einem Schuss Mineralwasser – der „Spritz“ war geboren. Was die Einheimischen von diesem Frevel am reinen italienischen Wein hielten, ist leider nicht überliefert. In jedem Fall wird diese Spritz-Variante vielerorts in Friaul-Julisch Venetien bis heute serviert.
Weiterentwickelt wurde sie Anfang des 20. Jahrhunderts, als Siphonflaschen mit Selterswasser sich als Alternative zum Mineralwasser verbreiteten. Und schließlich kam in den 1920er Jahren das letzte Element des heutigen Cocktails hinzu: bunte Bitter. Dabei entstanden schnell zwei konkurrierende Spritz-Varianten, eine mit Aperol und die andere mit Select, einem von den Pilla-Brüdern in Venedig produzierten Bitter. Und auch wenn die International Bartenders Association (IBA) Aperol als Zutat des venezianischen Spritz nennt, ist in der berühmten Lagunestadt selbst die Select-Variante nach wie vor weit verbreitet.
Jede Stadt im Nordostens Italiens hat ihr eigenes Rezept und allein rund um diesen Cocktail lässt sich wunderbar eine Verkostungsreise machen: In Padua wird Schaumwein verwendet, in Treviso Prosecco, in Udine Friulano-Wein und wie erwähnt Weißwein, aber kein Sprudel, in der venezianischen Version. Es gibt auch viele fantastisch bunte Varianten mit Kräuterlikören: Campari ist natürlich weit verbreitet, es gibt aber auch faszinierende dunkle Bitter wie China Martini, der die Farbe von gebrannter Umbra hat, oder Cynar, ein zuckerarmer Bitter aus Artischocken.
Warum überraschst Du Deine Freunde und Verwandten daheim nicht mal mit einem erfrischenden Spritz-Cocktail nach venezianischem Rezept: 1/3 prickelnder Weißwein, 1/3 Bitter, 1/3 Mineralwasser. Fülle dazu ein Weinglas oder Whiskyglas mit Eis und schenke zuerst den Wein, dann den Bitter und schließlich das Mineralwasser ein. Und zum krönenden Abschluss garniere das Ganze mit einer Orangenscheibe. Serviere Deinen Spritz mit Häppchen wie Crackern mit Parmesan oder beeindrucke die Gäste mit etwas Überraschendem wie knusprigen gerösteten oder gebackenen Gnocchi, einem Räucherlachs-Sandwich, einem Hähnchengericht oder anderen Leckereien.
Wenn Du das Glück hast, die Lagunenstadt selbst zu besuchen, sind Bar Duchamp, Bacareto Da Lele, Bar Alla Toletta, Cantina El Bottegon, Bar Al Canton, Caffe Rosso, Caffe Imagina und Caffe Noir einige der besten Orte für einen Aperitivo in Venedig.
Ein weiterer beliebter Aperitivo ist der auffällige Americano, ein fast allgegenwärtiger bunter Cocktail on the Rocks, der seit 1986 auf der Liste der IBA steht (und bereits 1953 als Drink von James Bond in Ian Flemings Roman „Casino Royale“ berühmt wurde). Er besteht zu gleichen Teilen aus Bitter, weißem Wermut und Soda und wird mit Orangen- und Zitronenzeste garniert. Der Americano wird auf Eis serviert und gerührt, nicht geschüttelt. Die Soda kommt als Letztes dazu. In der Regel würden Cocktails mit Spirituosen, Likörweinen und Likören als Basis und ohne Fruchtsaft beim Schütteln zu stark oxidieren und daher etwas von ihrer Komplexität verlieren.
Die Entstehungsgeschichte des Americano ist nicht eindeutig geklärt. Manche behaupten, amerikanische Touristen hätten ihn ins Leben gerufen, als sie in der berühmten Bar Camparino einen Schuss Soda in ihrem Milano Torino (Mi-To) haben wollten. In derselben Bar perfektionierte übrigens auch Gaspare Campari den gleichnamigen bitteren Aperitif, an dem er bereits seit den 1840er Jahren gearbeitet hatte. Andere behaupten, der Americano wurde als Hommage an den italienischen Boxer Primo Carnera kreiert, als dieser nach dem Gewinn der Schwergewichts-Weltmeisterschaft in den USA in seine Heimat zurückkam.
Ein verwandter Cocktail, der Negroni, wurde angeblich vor etwa hundert Jahren vom italienischen Abenteurer Graf Camillo Negroni in Florenz erfunden. Der Graf wollte einen stärkeren Drink haben und trug dem Barkeeper daher auf, Gin in seinen Americano zu mixen.
Der Negroni war von Anfang an ein großer Erfolg. Die Familie gründete sogleich die Negroni-Destillerie in Treviso und produzierte eine fertige Version des Cocktails für den Handel, genannt Antico Negroni. Diese ist noch immer sehr beliebt und die Destillerie ist heute noch im Geschäft.
Ein rivalisierender französischer Zweig der Negroni-Familie behauptet inzwischen, dass der Negroni bereits 50 Jahre früher von einem anderen Grafen Negroni, einem dekorierten Brigadegeneral im Deutsch-Französischen-Krieg, während einer Stationierung im Senegal als Digestif für seine Frau erfunden und in der Folge ein großer Hit im Offizierskasino in Paris wurde.
Beide Zweige der Negroni-Familie zeigen in ihren Räumlichkeiten „Beweise“ mit Fotos für die Echtheit ihrer Behauptungen – die sind jedoch immer mit ein wenig Vorsicht zu genießen.
Auch unsere letzte Negroni-Variante, der Negroni Sbagliato, hat eine Hintergrundgeschichte. „Sbagliato“ bedeutet auf Deutsch „falsch“ oder „verkehrt“. Jetzt fragst Du vielleicht, was am ersten Negroni Sbagliato so verkehrt war? Nun, angeblich entstand der Drink um 1969 herum durch ein Versehen, als der Barkeeper Mirko Stocchetto in der Mailänder Bar Basso bei der Zubereitung eines Negroni versehentlich eine Flasche Prosecco statt Gin erwischte. Das Ergebnis war ein leichterer, weniger komplexer Cocktail, der sich dank des Schaumweins als äußerst süffig erwies. Und auch die schicke Mailänder Bar ist heute immer noch so beliebt wie der Cocktail, der angeblich dort entstanden ist.
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